Kurz vor Mitternacht, Sonntag Abend. Die Mitternachtsfolge von 'Sex and the City' wurde irgendwann im Sommer abgesetzt (ohne mich zu fragen!!!). Morgen früh wieder Uni und eigentlich noch 50 Verse Lukrez zu übersetzen – da ist es nicht weiter verwunderlich, dass ich mich lieber an meine Woche in Kalifornien zurückerinnere, bevor die vielen Eindrücke von dort sich den
Lateinvokabeln im Kampf um meine Gehirnwindungen geschlagen geben müssen.
Im Grunde wollte ich mit meiner Reise ja nur Veronica einen Gefallen tun. Sie war am 5. September von Cincinnati nach San Francisco gezogen und ich hatte nun die ehrenvolle Aufgabe, ihr ein paar von ihren Sachen hinterher zu bringen. Also nix da Urlaub. Na gut, eigentlich schon :-)
Luise hatte mich in aller Herrgottsfrühe zum Flughafen nach Dayton gebracht und ich mir ausnahmsweise mal gemerkt, wo auf diesem Riesenparkplatz ich sie wiederfinden würde. Und dann gings los nach San Francisco über Minneapolis. Ein kleiner Schlenker – aber so ist Minnesota nun auch abgehakt und günstiger hats den Flug auch gleich gemacht. Ich war zu diesem Zeitpunkt in richtig dicke Klamotten eingemurmelt. Nicht nur, weil die Erinnerung an Flug 79 noch so frisch war, sondern auch weil Veronica mir am Abend vorher eine E-Mail geschrieben hatte mit den Worten: „Don’t forget your winter clothes. San Francisco is f* cold.“ Wir landeten nun also und der Pilot hieß uns mit freundlichen Worten willkommen in San Francisco bei 32° Sonnenschein. Winter clothes, aha – danke, Vero! ;-) Es sollte sich jedoch herausstellen, dass ich diese bei späteren Gelegenheiten doch auch ganz gut gebrauchen konnte. Nur hätte ich auch gern meine Sommerklamotten im Gepäck gehabt.
Die ersten beiden Tage verbrachte ich damit, die Straßen von San Francisco unsicher zu machen. Zu Fuß, per Bus, Straßenbahn und v.a. mit den Cable Cars. Ja, es die wohl größte Touristenabzocke der Stadt - jedoch in harter Konkurrenz zu Alcatraz, dessen Lage nicht nur strategisch günstig war für ein Hochsicherheitsgefängnis, sondern heutzutage auch für die Pilgerströme von Touristen zur Falle wird...clever, clever... Mir haben trotzdem sowohl Cable Car als auch Alcatraz später in der Woche ne Menge Spaß gemacht. Bin ich halt ein typischer Touri, na und?! Ich hatte ein fantastisches Kombi-Ticket erworben, mit dem ich sogar, so oft ich wollte, Cable Car fahren konnte und kostenlosen Zugang zu allen möglichen Museen der Stadt hatte. Zusammen mit Veronica ging ich ins „Exploratorium“, offensichtlich eines der besten Science-Museen der Welt (Naturkundemuseen??? Naja, ohne Dino-Skelette und ausgestopfte Grizzlybären...). Amis und ihre Superlative... In diesem Museum drehte sich jedenfalls alles um Experimente, die man selbst dort machen konnte. Auch das wieder höchst typisch für mein Gastland. Veros und meine kindliche Neugier war entbrannt – und so schafften wir es am Ende eigentlich nur durch die Optik-Abteilung. Plötzlich kamen Erinnerungen auf, die ich seit dem Physikunterricht mit Frau Sell und all meinen anderen mehr oder weniger schrecklichen Physiklehrern erfolgreich verdrängt zu haben geglaubt hatte. Aber wenn man nicht zum Fachidioten werden will..., richtig?!
Die Golden Gate Bridge, wichtiger Bestandteil einer jeden San-Francisco-Reise, habe ich mir natürlich auch angesehen, mehr als einmal, in und aus den verschiedensten Perspektiven. Gleich am ersten Tag z.B. vom Coit-Tower aus, dem so ziemlich
höchsten Punkt in San Francisco (Foto rechts). Ich hoffe, dass der liebe Leser diese Information auch zu schätzen weiß, denn die unterschiedlichsten Berge (das Wort „Berg“ wirkt aus meinem mecklenburgischen Munde vielleicht nicht überzeugend, aber das waren wirklich Berge!!!) wetteifern ganz schön in puncto Höhe! Vom Coit-Tower aus konnte ich aus der entfernten Höhe DIE Brücke bewundern. Aber
irgendwie fand ich die Postkarten, auf denen die Golden Gate Bridge in Nebelschwaden gehüllt war, viel netter. Schade, dachte ich, dass ich den berühmten San-Francisco-Nebel nicht erleben kann. Der nächste Tag sollte mich eines Besseren belehren und mir zugleich meine Naivität vor Augen führen. Buchstäblich. Denn wenn es Nebel gibt in San Francisco, dann hat das meist gar nichts mit Schönheit und großartigen Fotomotiven von der Golden Gate Bridge zu tun. Ich konnte sie ja fast noch nicht mal mehr entdecken. Da half auch mein neu erstandener Filter nicht, den ich mir – erneut in echter Touri-Manier – in einem der unzähligen Fotogeschäfte in Chinatown hatte aufschwatzen lassen. Dabei wollte ich doch eigentlich nur eine Batterie für meinen MP3-Player...
Für Donnerstag hatte ich beschlossen, zum Yosemite Nationalpark zu fahren. Ist ja schließlich nur 4 ½ Stunden von San Francisco entfernt – perfekt geeignet für eine Tagestour ;-) Im Nachhinein wünsche ich mir, ich hätte länger bleiben können, soooooo toll war das. Die Fahrt war eine von den vielen zentral organisierten Touren in einem Kleinbus mit einer bunt gemischten Truppe. Die Australier bildeten in meinem Bus die überdeutliche Mehrheit, was meinerseits natürlich wieder zu unüberwindbaren Kommunikationsschwierigkeiten führte. Die Herausforderung bestand nicht nur darin, ihre Sprache zu entschlüsseln
, sondern auch ihren Humor zu verstehen. Ich glaube, es sollte immer schon lustig sein, was sie so sagten – aber an meinem irritierten Blick konnten
sie erkennen, dass es nicht bis ins deutsche Hirn vorgedrungen war. Doch zum Wandern braucht man ja auch keine Witze, sondern nur genügend Ausdauer. Die brachte die mittlerweile geschrumpfte Truppe dann auch hinauf bis zum Vernal-Wasserfall. Den gescheiterten Rest der Reisegruppe sammelten wir auf dem Rückweg nach knapp 3-stündiger Wanderung wieder auf. Ich habe allein an diesem Tag im Park 200 Fotos gemacht. Keine Angst, die tue ich euch nicht alle an, aber ein paar davon können euch möglicherweise einen Eindruck von der Schönheit des Ortes geben. Es war wirklich atemberaubend. Und das ist eine Qualitätsbezeichnung, die aus meinem Munde in Bezug auf Berge sehr, sehr spärlich zu hören ist.
[Ich bemerke gerade, dass dieser Artikel gerade in seinen Dimensionen zum Riesen mutiert. Ich hoffe, das zeigt euch, wie gut es mir in Kalifornien gefallen hat – und Trost hab ich auch gleich parat: Es fehlt nur noch die andere Hälfte meiner Woche dort ;-) ]
Also, Kurzzusammenfassung des Wochenendes in und um San Francisco: Als sdw-Stipendiaten, die alle gerade in den USA bzw. in Kanada studieren, hatten wir vor geraumer Zeit die Idee entwickelt, zusammen ein Wochenende in San Francisco zu verbringen, um uns mal kennen zu lernen und ein bisschen was von der Welt zu sehen. Das sollte nun passieren, als wir 9 uns vollkommen fremde Leute begegneten. Die Fremdheit hielt nicht lange an. Bald bemerkten wir unsere gemeinsame Liebe für die Übernahme des deutschen Wortes „über“ als Präfix in die amerikanischen Sprache – überlustig, äääh, überfunny, zum Beispiel. Das machte uns dann auch gleich mal zur Übergruppe
und die zog dann, von mir als Stadtführerin geleitet, durch San Francisco, hoch aufn Berg, runter vom Berg, wieder hoch...puuuh. Wie ihr am Foto erkennen könnt, hatte ich, wie es sich als Stadtführerin so gehört, jederzeit alles unter Kontrolle ;-) Alle zusammen nächtigten wir in einem Hostel, welches uns Damen zumindest einzigartige Zimmerpartner bescherte. Ein Schnarcher war natürlich dabei! Genauso wie der Frühaufsteher. Immer das Gleiche!!!
Samstag früh gings dann geschlossen nach Alcatraz – vorsicht, Wortwitz! Zur Ehrenrettung der Insel muss ich die touristische Vermarktung aber loben. Der
Audioguide leistete großartige Arbeit und bescherte jedem Besucher so seine ganz persönliche Lernerfahrung. Kollektiver Zweifel blieb nur an den Beteuerungen der Wärterkinder von damals bestehen, die ihre ganze Kindheit auf der Insel verbracht hatten, dass es die schönste Zeit ihres Lebens war. Oder so. Nun gut, mir ist so eine Situation aus meinem Jahr in Italien nicht ganz unbekannt – aber dass mir die Bewacher auf der Gefängnismauer gegenüber von meinem Zimmer Wohlbehagen bereitet haben, kann ich nun auch nicht unbedingt behaupten... Ich glaube, das hab ich immer nur Mama zu Hause erzählt, um sie zu beruhigen ;-)
Nach der Rückkehr von Alcatraz gabs erstmal Burger der ganz anderen Art (in einem Burgerladen, dessen Speisekarte vor Ort nur aus 3 Variationen bestand – USA-Erfahrene schütteln an diesem Punkt wahrscheinlich schon ungläubig mit dem Kopf... okay, okay. Die „geheime“ Karte von In-N-Out-Burger gibt’s nur auf wikipedia - ich finde, das hat Erwähnung in meinem Blog verdient!)
Gut gesättigt ging es per Mietwagen ins Sonoma-Valley, einem der großen Weingebiete nördlich von San Francisco. Das beinhaltete natürlich auch eine Weinprobe. Und noch eine. Und noch eine – und dann einen Gutschein für noch eine...ihr wisst schon, wie so etwas immer endet... ;-)
Der Sonntag war dann schon der letzte Tag mit der Übergruppe. Wir beschlossen, in den Nationalpark Point Reyes nördlich von San Francisco zu fahren. Dort gab es zwar keine Berge, aber Spalten. Und was für welche! Genau unter dem Naturschutzgebiet verläuft nämlich der Sankt Andreas Graben. So konnten wir uns ansehen, was das große Erdbeben von 1906 (das aus dem Englischbuch! ;-) ) alles bewegt hat – z.B. einen Zaun 5 Meter in die jeweils entgegengesetzte Richtung (im Bild: vom einen blauen Pfahl zum anderen). Der Anschaulichkeit halber wurde das von Thomas und Matthäus auch gleich mal nachgestellt. Guckt’s euch also selbst an!
Pazifik-Strand gabs natürlich auch. Fast so schön wie die Ostsee, nur war das Wasser deutlich kälter (aber da ich ja sowieso keine Sommerklamotten dabei hatte, war das ja auch nebensächlich...). Dann war aber leider schon Schluss. Die erste Fuhre sdw’ler musste sich bereits verabschieden.
Damit löste sich unser Dreamteam aus dem Party-Auto um DJ Christian auf - die Party auf dem Rücksitz fand ein jähes Ende. Bekehrungsversuche meinerseits, die Stimmung im anderen Auto (in das ich dann umziehen musste) auf ähnliches Niveau zu bringen, scheiterten leider...
Sonntag Nacht bis Dienstag war ich dann wieder bei Veronica und ihrem Freund Nate, wo in der Zwischenzeit auch Veros Schwester, Mike und Nadine angekommen waren. Full house. Zusammen konnten wir am Montag nochmal San Francisco besuchen (das Aquarium, SFMoMA und v.a. Haight-Street, die Straße, in der man ohne flowers in your
hand noch immer n bisschen auffällt). Dienstag früh noch kurz nach Berkeley zum Frühstücken und Uni-Sightseeing – und dann brachte mich der Flieger wieder über Minneapolis nach Dayton zu Luise. Als ich um Mitternacht in Cincinnati ankam, begann offiziell das neue Quarter. Sag noch mal jemand, mein Zeit-Management wäre ne Katastrophe... naja, vielleicht - mittlerweile ist es Dienstag, weit nach Mitternacht ;-)
8 Kommentare:
What a great blog!!! I have no idea what it said, but for the pictures I can totally see how much fun you had!!!! I miss you West here!!!
I don't know what I miss more: you Midwest here or me West there ;-)
I am going to put pictures in the photo album so that you can enjoy some of the thousands of pictures I took without having to decode my incomprehensible German language. Although: you should understand the part about that person who advised me to bring winter clothes to California ;-)
Love! Silvana.
Hallo meine "Große"
Hat Spaß gemacht Deine Reisebeschreibung zu lesen.Wielange brauchst Du eigentlich für einen soooo langen Bericht?Hast Du schon den nächsten Flug nach San Francisco gebucht? So wie Du davon geschwärmt hast warst Du garantiert nicht zum letzten mal dort. Oder? Liebe grüße von zu hause.Mama
Hast meinen Bericht wohl nicht vom Anfang bis zum Ende gelesen, meine Liebe...sonst hättest gewusst, wie lange ich geschrieben hab ;-) Eigentlich wollte ich schon zu Halloween wieder nach San Francisco, aber das tue ich meinem Geldbeutel erstmal nicht an. Spätestens im nächsten Sommer ab hat mich Kalifornien wieder. Jippi!!!!!!!!!!
that I'm wondering about californian fashion styles! green shoes in combination with Blue Jeans,...thats dressy? But I have pay you a compliment for that giant blog entry, it's so circumstantial, that your mother don't have any concentration until the end. Mother versus Blog....the blog wins! :)
Bye Marc
sure! not only do blue jeans go with everything, but also do green shoes go with everything - and this is not (only) my personal opinion, but the result of my representative poll among all my dear library fellows - yes, you correctly read 100%!!! in a democratic survey (probably the only one in this country since george w. ...) - not bad, hm?! so i have to disapprove your criticism. the compliments for the blog entry, though, i gladly accept and promise even longer ones in order to defeat even you ;-) how about that?
take care! silvana.
You risk a blog-battle? I think we have to choose the weapons, before anything will start!! I think we have to do the agreement to write in german and it has to be a story of our present life!! Everyone can read this and a legally independent jury has to decide which one can better confusing the reader due to the lenght! Did I forget an important rule?
I never fear competition, Marc!!! Not even if it is about length! ;-) So may it be! My only concern: How do you make up for the fact that your blog has been literally dead since last spring? I think that must not go unnoticed here...
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