Nach einer gewaltigen Phase der Zurückhaltung melde ich mich jetzt mal zurück. Ohne Aprilscherz. Es gab seit dem 14. Februar durchaus viel Erzählenswertes – nur leider fielen diese Ereignisse allesamt in eine Zeitspanne, die sich sonst nur durch ihren hohen Uni-Stress-Faktor auszeichnete. Wieder mal zu spät begonnen, die Hausarbeiten zu schreiben. Wieder mal in Hektik geraten. Wieder mal alles wie immer.
Ich will jetzt keinen Rundumschlag wagen, aber ein paar Dinge sind es schon wert, hier niedergebloggt zu werden. Denn es gab tatsächlich zwei Tage Winter in Cincinnati. Die hatten es dafür aber auch in sich...
#1: Dienstag, 6. Februar 2007. Es schneit und schneit und schneit. Und ich freue mich, dass ich meine Winterjacke zu Weihnachten doch noch nicht in Deutschland gelassen habe. Aber dieser Schnee kam auch ziemlich unerwartet, denn bisher hatte man die Tage mit weniger als 32 Grad (Fahrenheit…Amis…tststs) an einer Hand abzählen können. Meine Übergangsjacke (schönes Mamawort) hatte dem Cincinnati-Winter immer noch die Stirn bieten können. Doch dann schneiten Flocken um Flocken auf Cincinnati nieder. Ganze 8 Inches (20,32 cm…kleine Kopfrechenübung…). 20,32 cm zu viel für

Cincinnati. Während ich mich von der Bibliothek aus über die hübsche Schneedecke noch freute, braute sich draußen das Chaos zusammen. Das ganze Viertel war ein einziger Stau. Und im Internet wurde von meilenlangem Autobahn-Chaos berichtet. Ich kam da schon ins Grübeln, denn es war doch erst früher Nachmittag…wo kamen die ganzen Autos her? Des Rätsels Lösung: Die Stadt hatte alle Arbeitgeber aufgerufen, ihre Angestellten früher nach Hause fahren zu lassen, damit zu früher Stunde ein Stau produziert werden könne, der dann dabei hilft, den Schnee schneller schmelzen zu lassen. Local Warming.
Um 17 Uhr schloss dann die gesamte Universität samt aller dazu gehörigen Einrichtungen (also auch meiner geliebten Bibliothek) für den Tag. Wegen ein paar Zentimetern Schnee – die 20,32 cm waren ja nur das Endergebnis spät in der Nacht. Zu diesem Zeitpunkt waren es vielleicht 10 cm.

Da Altertumsmenschen, wie ich es einer bin, nicht wissen, was sie tun sollen, wenn ihnen die Bibliothek vor der Nase zugeschlossen wird, ging es im Rudel zum Café um die Ecke (nachdem ich mir eine kleine Schneeballschlacht natürlich nicht

hatte nehmen lassen…). ABER: Das Café hatte wegen des Schnees geschlossen…HÄÄÄÄH? Da hat jemand den Umsatz seines Lebens verpasst. Too bad. Eine Ecke weiter wurden wir dann aber sehr herzlich aufgenommen und erfreuten uns alle zusammen an ein paar Tassen heißer Schokolade und Co. Nur mein Fahrrad musste sich der geschlossenen Schneedecke ergeben. Wer hatten morgens auch schon ahnen können, dass der Tag SO enden würde?! Gegen 19 Uhr machte ich mich dann auf den Weg zu meiner Wohnung, einen Block den Berg hinunter. Nach ein paar Metern gab ich dann erstmal den Versuch auf, auf meinem Fahrrad nach Hause zu kommen. Stattdessen stapfte ich tapfer durch den Schnee auf der Straße –

denn Räumfahrzeuge tauchten den ganzen Abend nicht auf. Das hatte aber auch seine amüsante Seite, denn so kam ich in den Genuss, Skifahrern beim Abfahrtslauf auf Wheeler Street zuzugucken. Es sollte nicht lange dauern, bis auch ich mich das erste Mal auf diese Bretter wagte.
Am folgenden Wochenende hatte sich eine große Gruppe internationaler Studenten zum Gruppen-Skifahren im
Perfect-North Skigebiet in Indiana (45 Minuten von Cincy) getroffen. Dazu kam dann noch eine mindestens genauso große AFS-Truppe. Wie hätte ich mich dem entziehen können? Ray sorgte für meine “professionelle” Skikleidung und ich dafür, dass ich noch auf dem Parkplatz meine Kreditkarte verlor. Jippi! Als ich dann auch noch bemerkte, dass mein Handy keinen Empfang hatte und ich somit keinen Kontakt mit den anderen aus der Gruppe aufnehmen konnte, war ich ganz verloren. Ich hatte keinen Schimmer, wie ich sie alle jemals finden sollte… Innerlich verfluchte ich schon die Idee, überhaupt zum Skifahren gekommen zu sein. Dazu sah ich schon Bilder vor meinem geistigen Auge, auf denen ich von 10 Sanitätern den Berg mit einem gebrochenen Bein runtergeschleppt werde. Schließlich bin ich doch noch NIE skigefahren. Doch dann wollte es der Zufall, dass ich meine Leute an irgendeiner Hütte traf, meine Kreditkarte an einer Kasse abgegeben wurde und ich tatsächlich auf Skiern umherwackelte. Eine erste Skistunde war im Preis inbegriffen. Und da konnte ich dann feststellen, dass ich wohl ein Naturtalent bin ;-) So lernte

ich, auf Skiern umherzulaufen und umherzufahren. Dann ging es ans Schneepflug-Lernen (the “wedge”) und die Kurven (the “turn”) – ich habe keine Ahnung, ob das die richtigen Begriffe auf deutsch sind, aber Jim hat uns Skifahren auf Amerikanisch beigebracht. Am Ende der Stunde nahm er uns dann per Skilift (aaaaah! Wie kommt man da bloß rauf mit den Dingern unter den Füßen….) auf die Idiotenpiste – the bunny hill (ist das nicht viel netter?). Auch wenn ich teilweise die Kontrolle über meine Geschwindigkeit verlor, konnte ich jeglichen Ganzkörperkontakt mit dem Schnee vermeiden. Und nach ein paar Runden war ich auf dem besten Wege zum Profi ;-)
Schließlich wagte ich mich dann auf die mittelschweren Pisten – und auch das ging, zu meinem eigenen Erstaunen, sturzlos zu. Yeah! Abends ging es dann bei Flutlicht weiter – und ich konnte gar kein Ende finden, die “Berge” Indianas hinunterzusausen. Aber irgendwann war mein Tagespass dann abgelaufen und ich machte mich frohen Mutes auf den Weg nach Hause. War ja alles phantastisch gelaufen. Stolz wie Bolle zurück auf den Highway – 3 Meilen weiter, die Staatengrenze zu Ohio gerade so passiert, fing Luise an zu stottern und beschleunigt nicht mehr. Der Seitenstreifen der Autobahn wurde unser Zuhause für die nächste Stunde. Leider halfen weder gutes Zureden noch unermüdliche Startversuche. Luise war bockig und gab keinen Mucks mehr von sich. Mein Vermieter und amerikanischer Ersatzvater (gleichzeitig auch mein persönlicher Automechaniker...) Ray war zu allem Übel auch nicht erreichbar, sodass ich schließlich von Christina abgeholt wurde. Luise blieb allein auf dem Seitenstreifen zurück – schnief. Am nächsten Morgen fuhr ich dann mit Ray zu ihr – aber auch ihm gelang es nicht, sie zurück ins Leben zu holen. Also kam der große Abschleppwagen und nahm sie mit in die Werkstatt. Das Ende vom Lied: Die Kraftstoffpumpe…oder eben nicht mehr ;-) Teurer Montag-Morgen-Spaß. Aber der sollte erst angefangen haben.
Nachdem ich abends aus der Dusche gesprungen war und mich todmüde in mein Bett schmeißen (ja, schmeißen: ich war müde!) wollte, verhakte sich mein kleiner linker Zeh mit dem Bettgestell und AAAUUU!!! Sterne über meinem Bett, Blut über meinem Zeh.

Totalschaden – und Schmeeeerzen, die gar nicht mehr aufhören wollten. Da das mit dem Laufen dann am nächsten Morgen immer noch nicht besser war (ja, ich habe ihn gefunden: den Sinn des kleinen Zehs…), schnappte ich mir mein Fahrrad für den Weg zur Schule. Auf dem Weg nach Hause schlitzte ich mir an einer gemeinen Glasscherbe den Vorderreifen auf, sodass auch mein letztes Fortbewegungsmittel gefechtsunfähig wurde. Auto kaputt, Zeh kaputt, Fahrrad kaputt. Silvana ohne jegliche Chance auf Bewegung. Hinzu kam ja noch, dass die Straßen zwar mittlerweile von Schneefahrzeugen gefegt worden waren – dass das aber nur hieß, dass der Schnee von der Straße auf die in den USA sowieso meist unbenutzten Gehwege geschoben wurde. Bravo. Nach ein paar Tagen wurde das die perfekte Rutschbahn – insbesondere mit Totalschaden am kleinen Zeh. Ein weiteres Hoch auf den Winterdienst in Cincinnati…

Und der Spaß hatte erst begonnen. Der Valentinstag brachte Wintereinbruch # 2 mit sich – nicht so sehr in der Form von Schnee, aber von Eisregen. Die Fernsehsender ließen es schon nach nationaler Katastrophe aussehen und sendeten alle paar Minuten Wetterwarnungen. Zugegebenermaßen: Andere Orte, insbesondere im Nordosten der USA, hatte es deutlich schlimmer getroffen. Aber auch auch unsere Uni entschied sich, nochmal einen Tag alle Einrichtungen zu schließen. Noch schneite es eigentlich nur, nachts sollte dann der Eisregen einsetzen. Eigentlich waren sich alle einig, dass das der eigentliche Grund für einen “snow day” wäre.

Nur die Unileitung hatte irgendwie komische Prioriäten und ließ alle am nächsten Morgen auf eisglatten Straßen und Gehwegen zur Uni rutschen. HÄÄÄH? Nicht nur, dass das so viel gefährlicher war als das bisschen Schnee am Vortag. Ich hatte am nächsten Morgen auch

einen Kurs, den ich allzu gern verschlafen hätte ;-) Naja, das hatte nicht sollen sein. Stattdessen rief mich eine besorgte Christina an. Der letzte Eisregen in North Carolina hatte ihr fünf Tage ohne Strom beschert (und damit ohne Heizung…). Im Hightech-Land USA verlaufen die Stromleitungen eben über der Straße und, obwohl hübsch anzusehen, tendieren unter der Eislast ab und an zu reißen. Bei mir hieß das glücklichweise nur 5 Minuten Stromausfall,

für ein paar andere in meinem Institut ein paar Tage Kälte in der eigenen Wohnung und dann wechselndes Exil in den Wohnungen von Kommilitonen.
Dafür konnte ich mich am Nachmittag auf Fototour in Clifton, dem Uni-Viertel, begeben. Ein paar Bilder könnt ihr hier sehen – den Rest in meinen Fotoalben. Ein Eiszapfen-Junkie im Rausch ;-)